Offener Brief an die Partei der Grünen
Sehr geehrter Landesverband Niedersachsen,
Sehr geehrter Landesvorstand Niedersachsen,
Sehr geehrter Herr Palandt,
Liebe Grünen,
zugegeben: Wir haben intern kurz diskutiert, ob wir diesen Brief anonym veröffentlichen sollen. Zum einen haben wir mehrere Zuschriften bekommen, deren Verfasser*innen sich z.T. bereits an Euch gewandt haben, aber namentlich nicht genannt werden wollen, zum anderen: Wer outet sich heutzutage schon gern als Grünenwähler, wer hat schon Lust auf die Diskussionen, warum man das trotz allem für eine gute Sache hält… Ich weiß aber, dass ich vielen damit aus der Seele spreche und außerdem hat es immer zu unserer Arbeit gehört, sich nicht zu verstecken, sondern Gesicht zu zeigen. Deswegen wende ich mich heute noch einmal mit einem gemeinsamen offenen Brief in aller Ausführlichkeit an Euch.
Ich selbst habe seit den Land- und Bundestagswahlen 2013 immer die Grünen gewählt. Gar nicht so sehr aus meiner eigenen Überzeugung heraus, im Gegenteil, der klassische “linksgrüne” Wähler war ich nie, aber Kompromisse gehören nunmal auch für mich als Wähler dazu. Ich habe Euch gewählt, weil ich Euch für die einzige der großen Parteien gehalten habe, bei der ich glaubhafte Bemühungen um eine progressive Realpolitik verortet habe, die nicht nur Einzelinteressen bedient, sondern nach Lösungen sucht, die uns als Gesellschaft voranbringen. Die nach Verbesserungen sucht, anstatt sich zufrieden zu geben mit dem, was wir immer schon so gemacht haben - nicht ‘nur’ für Klima und Umwelt, sondern auch in Fragen von Gleichberechtigung, Inklusion oder Generationengerechtigkeit. Die sich gezwungenermaßen an Wirklichkeiten und Fakten orientiert und die in der Lage ist, im Zweifel auch die eigene Position zu überdenken.
Die Grünen haben zuletzt in der Bundesregierung in einer schwierigen Koalition vielleicht nicht alles richtig gemacht, aber stets demokratische Werte bewiesen und oft genug gezeigt, worauf es in der Politik und in einer Demokratie ankommt. Die Grünen zeigten die Fähigkeit zum faktenbasierten Diskurs und dem (vielleicht auch mal schwierigen) Kompromiss, einfach, weil es die Umstände in der Wirklichkeit erfordert haben. In meiner bescheidenen Wahrnehmung haben an der Spitze insbesondere Annalena Baerbock und Robert Habeck diese Werte authentisch nach außen und innen vertreten, aber auch EU- Abgeordnete wie z.B. Katrin Langensiepen stehen m.E. für einen vorbildlichen Politikstil.
Also alles im Grünen Bereich? Leider nein.
All die eingangs beschriebenen positiven Wahlargumente verpuffen leider schnell, wenn einem einzelne Akteure der Partei auf kommunaler und regionaler Ebene entgegentreten, die diese Werte der Partei nicht dorthin transportiert bekommen, wo sie für viele gerade wichtig sind. Dorthin, wo die Menschen leben, sich engagieren und mit Vertretern der Grünen in Kontakt kommen.
2014 bin ich Mitglied des Deisterfreun.de e.V. geworden, einem der inzwischen größten Radsportvereine in Deutschland mit mehr als 1.300 Mitgliedern. Der Verein wurde 2012 im Rahmen eines gemeinschaftlichen Pilotprojektes mit den Landesforsten und der Region Hannover von engagierten Mountainbikenden gegründet, um den Mountainbikesport im Deister zu fördern und dem illegalen Trailbau ein attraktives, legales und naturverträgliches Streckenangebot entgegenzustellen. Die damals knapp 150 Mitglieder waren überwiegend mit der Instandhaltung der Strecken ausgelastet und der Verein hatte zu dieser Zeit ein Image- und Kommunikationsproblem, sowohl innerhalb der Szene, die negative Auswirkungen auf den Sport befürchtete, als auch gegenüber Außenstehenden und anderen Waldnutzern, die dem Projekt skeptisch gegenüber standen. Wenn man etwas verändern will, muss man selbst mit anpacken, also habe mich dieser Herausforderung als Verantwortlicher für Öffentlichkeitsarbeit gestellt und wurde Teil des erweiterten Vorstands.
Mit den steigenden Mitgliederzahlen wuchs auch unsere Verantwortung, unser Anspruch an unser gemeinnütziges Angebot und die Notwendigkeit, uns professioneller aufzustellen. Als unser “kleiner Spartenverein” auf die Größe von 1.000 Mitgliedern zuging, hatte ich zum ersten Mal den Gedanken, dass ich so langsam verstehe, welches Gespür es braucht, die vielen unterschiedlichen Meinungen und Interessen in und außerhalb einer so großen Organisation wie z.B. einer Partei unter einen Hut zu bringen und trotzdem alle mitzunehmen. Dazu gehörte auch die Erkenntnis, dass es a) nur miteinander geht und b) dass nicht jede*r Weggefährt*in unsere Werte teilte.
Die Deisterfreun.de engagieren sich heute weit über ihren ursprünglichen Vereinszweck hinaus in einer Vielzahl anderer Bereiche. Dazu zählen unter anderem Umweltschutz, Integration, Gleichstellung und Jugendarbeit. Wo andernorts Vereine um Mitglieder kämpfen, gibt es bei uns ganz viele großartige Menschen, die sich mit viel Herzblut im Ehrenamt engagieren. Neben Veranstaltungen und Fahrsicherheitstrainings gibt es u.a. regelmäßige Müllsammelaktionen im Wald, ein Patenschaftsprogramm für Geflüchtete oder z.B. vom Förster geführte Waldwanderungen für Kinder, in denen den Kindern der Natur- und Lebensraum und das Verhalten im Wald nahegebracht wird. Man möchte meinen, das wären Themen und Aktionen, die auch den Grünen am Herzen liegen würden.
Mir ist kein vergleichbares Engagement in der Region bekannt, das sich bemüht hat, ein so weitreichendes Bewusstsein für den Deister als Erholungsgebiet zu vermitteln und gleichermaßen als schützenswerten Lebensraum begreifbar zu machen. Was wir zum Dank bekommen, sind Forderungen nach Verboten und Ausgleichszahlungen. Menschen schützen nur das, was sie kennen und lieben. Alle aus dem Wald zu verbannen, die einem nicht passen, führt am Ende nur zu einer Entfremdung von Mensch und Natur und dazu, dass Menschen Naturschutz da, wo es sinnvoll ist, ablehnen. Ich bin ehrlich gesagt entsetzt, dass es auf der Gegenseite ausgerechnet ein Vertreter der Grünen ist, der das nicht einsehen will.
Leiderprobte Ehrenamtler*innen seit 2012
In den vergangenen Jahren gab es von verschiedenen Seiten immer wieder Anfeindungen und Versuche, unser Erfolgsprojekt zu sabotieren, wir sind Kummer gewohnt. Zuletzt wird unser wertvolles soziales Engagement vom Grünen- Mitglied und neuen Dezernenten der Region Hannover für Umwelt, Klima, Planung und Bauen, Jens Palandt, offensiv bekämpft. Dabei ist er sich für keine Falschbehauptung zu schade und lässt keinen Versuch aus, die jahrelange erfolgreiche Zusammenarbeit von Verein, Forsten und seinen Vorgänger*innen zu beschädigen.
Im Kern geht es weiterhin um den jahrelang einseitig befeuerten Konflikt zwischen legalen und illegalen Mountainbikestrecken und um vermeintliche Konflikte mit den Interessen von Naturschutz, Forstwirtschaft oder anderen Erholungssuchenden im Deister. Unsere Mitglieder erleben und lesen über die Medien, wie sie durch einen Vertreter der Grünen nahezu alleinig für Probleme im Deister verantwortlich gemacht werden, die entweder nachweislich völlig andere Ursachen haben, sich bei näherer Betrachtung als realitätsfremd erweisen oder die im Wesentlichen längst durch uns gelöst sind.
Die Region Hannover selbst hat im Rahmen eines eigens beauftragten Monitorings festgestellt, dass unsere Strecken und unser Sport zweifelsfrei umweltverträglich sind und vermeintliche Konflikte mit anderen Erholungssuchenden ein Einzelphänomen darstellen. Auch der immer wieder behauptete negative Einfluss auf Wildtiere lässt sich anhand von Zahlen und Fakten mühelos widerlegen.
Palandts jüngste Aussagen gehen sogar so weit, zu behaupten, das Vorhaben, legale Trails im Deister zu etablieren, sei gescheitert. Der letzte, der es mit diesem Take in der Öffentlichkeit probiert hatte, ist mit seinem Versuch mehr als beeindruckend baden gegangen: Förster Ralph Weidner aus dem nahegelegenen Lauenauer Revier hatte sich mit einer eigens angefertigten Karte, die illegale Trails in u.a. seinem Revier zeigte, an ein Team von strg_f gewandt, um auf die vermeintlichen Konflikte mit Mountainbikenden im Deister aufmerksam zu machen. Nur um dann mitansehen zu müssen, wie sein Kollege Frank Nüsser voll des Lobes über die Zusammenarbeit mit den Deisterfreun.den eben diese Karte nutzte, um eindrucksvoll zu veranschaulichen, dass sich in seinem Revier, in dem es das legale Angebot des Vereins gibt, kein einziger illegaler Trail mehr befindet.
Wir haben durch jahrzehntelanges ehrenamtliches Engagement bewiesen, dass wir ein verlässlicher Partner für die Landesforsten sind und in unserem Revier ein attraktives legales Angebot geschaffen, das illegalen Trailbau überflüssig macht und sich erwiesenermaßen nicht nur auf den gesamten Deister erstrecken ließe, sondern längst deutschlandweit Vorbild für unzählige ähnliche Projekte ist.
In meiner Welt gehört zur Politik ein anderer Umgang miteinander. Wir können gern auch hart diskutieren, aber danach muss man sich weiterhin in die Augen sehen und sich die Hand geben können.
Glaubhafte Positionen müssen einer Überprüfung standhalten
Wie kann es sein, dass ein Vertreter der Grünen in so einer Position es nicht schafft, mit einem so tatkräftigen Verein mit so vielen großartigen Mitgliedern auf Augenhöhe in einen konstruktiven Diskurs zu treten? Was für ein Demokratieverständnis hat dieser Mann? Sollte Aufgabe der Politik nicht sein, aufeinander zuzugehen und danach zu suchen, was uns verbindet und nicht nur nach dem, was uns trennt? Auf der Basis von Fakten und mit Weitsicht Kompromisse auszuhandeln, gesicherte Perspektiven für den Verein und seine Arbeit fernab von Lippenbekenntnissen aufzuzeigen?
Die Grünen Hannover schreiben auf ihrer Website, Kunst, Kultur und Sport fördern zu wollen. Palandt selbst behauptet auf seiner eigenen Website zur erfolglosen Bundestagskandidatur 2021, ihn treibe die “gemeinsame Suche nach Lösungen” an. Er wolle [...]”die Visions- und Innovationslosigkeit der deutschen Politik überwinden”[...] und beklagt sich über die “Polarisierung unserer Gesellschaft”, dabei ist er es, der unbeholfen die Fortschritte der vergangenen 12 Jahre rückgängig zu machen versucht, der an der eigenen Unfähigkeit zur gemeinsamen Lösungsfindung scheitert und der über billigen Populismus zu polarisieren versucht, um sich selbst als Hardliner zu inszenieren. Liest man den kurzen Willkommenstext auf Palandts Website, weiß man vermutlich alles, was man über ihn wissen muss und es wird deutlich, dass von ihm keine Innovation, sondern nur Fingerzeigen auf “die anderen” zu erwarten ist.
Richtigstellung: an dieser Stelle des Beitrags sind wir ursprünglich davon ausgegangen, dass Jens Palandt, anhand des Eindrucks, den die Webseite www.jens-palandt.de erweckt, erneut als Bundestagskandidat der Grünen aufgestellt wurde. Dem wurde seitens eines Regionsabgeordneten der Partei widersprochen, Zitat:
"Das entspricht nicht den Tatsachen, Jens Palandt war Kandidat im Jahr 2021 für Bundestag. Er ist kein Kandidat für Feb. 2025. Die Webseite von Ihm ist aus dem Wahlkampfjahr 21."
Wir bedanken uns herzlich für diesen Hinweis und korrigieren den entsprechenden Absatz im Folgenden. Wenn wir glaubhaft für einen faktenbasierten Diskurs einstehen wollen, gehört auch für uns dazu, Aussagen, die nicht den Tatsachen entsprechen, richtig einzuordnen.
Als Verfasser des Beitrages habe ich, ausgehend von der Annahme, Palandt würde, wie auf seiner Webseite beschrieben, für den Bundestag kandidieren, die Entscheidung getroffen, bei der Bundestagswahl im Februar 2025 erstmalig nicht die Partei der Grünen zu wählen. Dies möchte ich wie folgt konkretisieren:
Ich mache meine persönliche Wahlentscheidung davon abhängig, ob und wie seitens der Partei der Grünen mit der in meiner Wahrnehmung berechtigten Kritik umgegangen wird.
Die Lüge ist in meinem Verständnis kein legitimes politisches Mittel. Das, was Ihr bei Euren politischen Gegnern völlig zurecht kritisiert, müsst Ihr auch gegen Euch selbst gelten lassen.
Sich mit dem Verhalten von Akteuren wie Palandt in den eigenen Reihen nicht auseinander zu setzen, macht Eure Positionen unglaubwürdig und schadet Euch sicher nicht nur durch den etwaigen Verlust meiner und anderer Stimmen bei der nächsten Bundestagswahl.
Es sind auch genau diese Vorkommnisse vor Ort, bei denen sich viele Menschen politischen Entscheidungsträgern, die ihren Ermessensspielraum nur im eigenen Interesse ausnutzen, machtlos ausgeliefert fühlen. Die zu Politikverdrossenheit und der Abkehr vom faktenbasierten, demokratischen Diskurs führen. Das ist gerade in der heutigen Zeit fatal und das solltet Ihr besser wissen als alle anderen. Das ist zumindest meine persönliche Meinung.
Mit enttäuschten Grüßen
Alexander Haufe
P.S. Ich bin weder der Verfasser noch der Absender des ursprünglichen Briefes an Jens Palandt, noch möchte ich die Lorbeeren dafür einsammeln. Als Verfasser dieses Beitrages möchte ich mich den Worten, die mich von vielen enttäuschten Mitglieder erreicht haben, anschließen und bin gern bereit, denjenigen, die sich darin wiederfinden, eine Stimme und ein Gesicht geben.